Emotionale Resilienz im Team

Emotionale Resilienz im Team aufbauen

In diesem Beitrag erfahren Sie, warum Emotionen auch im Arbeitsalltag bewusst wahrgenommen werden sollten und welche Bedeutung sie in Teams für deren Resilienz haben. Außerdem lernen Sie Strategien kennen, mit denen Teams nach Rückschlägen oder anderen schwierigen Situationen zielführend mit ihren Emotionen dazu umgehen können.

Ausgangssituation – Wenn emotionale Belastung zum Alltag gehört

Jedes Team steht immer mal wieder vor besonders kritischen Situationen, die es gemeinsam bewältigen muss – manche Teams öfter, manche seltener. Doch es gibt Arbeitsbereiche, in denen emotionale Belastungen nicht die Ausnahme, sondern Teil des Berufsalltags sind. In diesem Beitrag begleiten wir ein Team einer Palliativstation – ein Arbeitsort, an dem Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet werden, mit allem, was Sterben, Tod und Abschied für Patient*innen, Angehörige und eben auch das Team bedeuten.

Wie schafft es ein Team in dieser Umgebung, leistungsfähig zu bleiben und weiterhin gerne seine Arbeit zu tun? Wie erhält es seine Team-Resilienz – also die Fähigkeit, gemeinsam mit schwierigen Erfahrungen umzugehen und daran zu wachsen? Daraus können auch andere Teams lernen.

Das interdisziplinäre Team, um das es hier geht, besteht aus rund 30 Personen. Etwa zwei Drittel von ihnen arbeiten in direkten klinischen Berufen – Pflege, Medizin oder Therapie. Die übrigen übernehmen geistliche, administrative oder soziale Aufgaben. Gemeinsam gestalten sie einen hochsensiblen Arbeitsraum, in dem Fachlichkeit und Empathie untrennbar miteinander verbunden sind. Dieses Team gab es nicht nur auf dem Papier*: Es wurde im Rahmen einer qualitativen Studie über acht Monate hinweg begleitet. Ziel war es, besser zu verstehen, wie Teams mit emotionalen Belastungen umgehen – und welche sozialen und kommunikativen Prozesse dabei eine Rolle spielen.

Als wäre die alltägliche Arbeitsbelastung nicht schon hoch genug, erlebt das Team innerhalb eines Jahres zwei Situationen, die es als besonders belastend wahrnimmt. Zunächst erkrankt der Ehemann einer der Physiotherapeutinnen schwer – so schwer, dass er mehrere Monate lang auf genau dieser Palliativstation behandelt wird und schließlich dort verstirbt. Nur kurze Zeit später wird bekannt, dass eben diese Kollegin sowie ein langjähriger Pfleger – beide im Team als informelle Leitfiguren geschätzt – ihre Arbeitsplätze wechseln werden. Ihr baldiger Weggang hinterlässt nicht nur eine Lücke in der alltäglichen Versorgung, sondern auch im emotionalen Gefüge des Teams.

Beide Ereignisse konfrontieren die Mitarbeitenden auf unterschiedliche Weise mit Trauer, Verlust und Verunsicherung – Emotionen, die im beruflichen Alltag zwar auftreten, aber selten wirklich gemeinsam bearbeitet werden.

Exkurs – Emotionen im beruflichen Kontext

Emotionen gelten im Arbeitskontext oft als unwichtig oder sogar störend – dabei erfüllen sie eine zentrale Funktion: Sie zeigen uns, was uns guttut, was wir brauchen und wo unsere Grenzen liegen. Wer Gefühle regelmäßig unterdrückt, verliert nicht nur den Zugang zu sich selbst, sondern auch die Fähigkeit, anderen mitzuteilen, was gerade wichtig ist. Dabei ist genau das für Zusammenarbeit mit anderen enorm wichtig! Emotionale Intelligenz im Team heißt auch, solche Signale zu erkennen und ernst zu nehmen – bei sich selbst und bei anderen.

Dass positive Emotionen wie Freude oder Interesse uns guttun, leuchtet unmittelbar ein. Aber auch sogenannte negative Emotionen wie Angst oder Wut erfüllen einen Zweck. Sie sind eine natürliche Reaktion auf das, was uns begegnet und helfen uns, Situationen einzuordnen. Eine wichtige Fähigkeit im Umgang mit Emotionen ist die Gefühlsregulation – also der bewusste Umgang mit innerem Erleben, um sich nicht von Emotionen überwältigen zu lassen. In akuten Situationen kann es helfen, einen kurzen mentalen oder physischen Abstand zu schaffen: durch tiefes Durchatmen, einen Schritt zurück, oder indem man das eigene Erleben in Worte fasst. Ebenso gibt es Methoden, um die eigene Stimmung in gewissem Maße zu steuern.

Dabei geht es weder darum, Emotionen unkontrolliert auszuleben, noch darum, sie zu unterdrücken. Vielmehr braucht es eine bewusste Wahrnehmung und einen konstruktiven Umgang – für jede*n Einzelne*n und für das Team als Ganzes.

Was macht eine gelungene Verarbeitung kritischer Situationen aus?

Zurück zu unserem Team. Als die Nachricht von der schweren Erkrankung des Ehemannes einer Kollegin eintrifft, reagieren fast alle Teammitglieder empathisch. In ruhigen Momenten kommen viele auf die Physiotherapeutin zu, um ihr ihr Mitgefühl auszudrücken. Einige bieten praktische Hilfe an, andere ein offenes Ohr, falls sie einfach mal jemanden zum Reden braucht. Auch als die beiden Team-Mitglieder ihr Team über ihre Kündigung informieren, geht das Team ins gemeinsame Gespräch. Man bedankt sich für ihre gute Arbeit bislang und drückt die eigenen Sorgen darüber aus, wie es weitergehen soll. Die, die gehen, tun das nicht leichten Herzens: Die Entscheidung ist ihnen schwergefallen und es ist Trauer dabei, ihr vertrautes Team zu verlassen.

Solche spontane Anteilnahme erfüllt eine zentrale psychologische Funktion: Mit ihrem Verhalten signalisieren die Kolleg*innen, dass Emotionen hier ihren Platz haben – dass sie wahrgenommen, anerkannt und ausgesprochen werden dürfen.

Genau hier kommt der Resilienzschlüssel Verarbeitung kritischer Situationen ins Spiel: Er beschreibt psychologische und zwischenmenschliche Prozesse, die Teams helfen, Erschütterungen nicht nur zu überstehen, sondern langfristig gut damit umzugehen. Die Studie, auf der dieser Beitrag basiert, zeigt: Nach Ereignissen, die als kritisch empfunden werden, muss es möglich sein, Gefühle anzusprechen und gemeinsam zu reflektieren. Gesprächsroutinen, in denen nicht nur sachliche, sondern auch emotionale Themen Platz haben, ermöglichen eine gelungene Verarbeitung der Krise.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Das Team sollte sich gemeinsam einen Überblick über die Situation verschaffen. Was ist geschehen – und was hat das mit uns gemacht? Das kollektive Nacherleben ist entscheidend, um das Erlebte einzuordnen und zu verarbeiten. Dabei entsteht ein Gefühl von Miteinander, das Schutz und Halt bietet. Diese vergangenheitsorientierte Herangehensweise ist insofern bemerkenswert, weil viele Organisationen ihren Fokus stark auf die Zukunft legen – auf Ziele, Effizienz und Fortschritt. Kritische Erlebnisse bekommen in diesem Rahmen oft zu wenig Raum.

Und: Emotionale Verarbeitung braucht Zeit. Deshalb ist es sinnvoll, mehrere Gelegenheiten zur Reflexion einzuplanen – nicht nur einmal, sondern in zeitlichem Abstand. In der professionellen Begleitung von Flugzeug-Crews, etwa nach einem Notfall oder Todesfall an Bord, finden Debriefings in mehreren Etappen statt: direkt im Anschluss, etwa eine Woche später und nochmals nach 14 Tagen.

Zusammengefasst gelingt die Verarbeitung kritischer Situationen also durch:

  • Etablierte Gesprächsroutinen
  • Überblick für Alle nach Krisen
  • Adressierung von Gefühlen nach Krisen
  • Zeit nehmen für emotionale Verarbeitung

Emotionale Resilienz in jedem Team stärken

Zwischenmenschliche Prozesse sind entscheidend für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Resilienz in Teams. Gerade nach herausfordernden Phasen ist ein Klima wichtig, Emotionen Raum zu geben. Auch wenn nicht jedes Team mit derart extremen Situationen konfrontiert ist wie das Team auf der Palliativstation, sind emotionale Belastungen im Berufsalltag keine Ausnahme. Konflikte, Abschiede, ein gescheitertes Projekt oder hohe Arbeitsdichte – all das kann die Zusammenarbeit belasten. Die Mechanismen, die resilienten Teams helfen, solche Situationen zu verarbeiten, lassen sich auch in „normaleren“ Arbeitsumfeldern anwenden.

Zum Beispiel führe ich mit Teams in meinen Workshops zu Team-Resilienz gerne die sogenannte „Ampel-Übung“ durch. Darin beschreiben alle Team-Mitglieder zuerst für sich und dann im Austausch, wie es sich für sie anfühlt, wenn sie im „grünen“ Bereich sind, im „roten“ oder im „gelben“. Am einfachsten zu beschreiben ist oft die körperliche Ebene, also wo wie viel Anspannung da ist zum Beispiel, aber auch das soziale Verhalten und das emotionale Erleben unterscheiden sich in jeder Phase. Diese Übung ermöglicht es, Worte dafür zu finden, wie es einem gerade geht und schärft die Wahrnehmung für die eigenen Gefühle.

Eine weitere hilfreiche Übung in diesem Zusammenhang ist die sogenannte „Was ich gerade brauche“-Runde. Sie kann in kurzen Reflexionsphasen eingesetzt werden – nach einem stressigen Arbeitstag, einem Konflikt oder auch präventiv im Teammeeting. Jede Person formuliert dabei zwei einfache Sätze: „Ich fühle mich gerade …“ und „Ich brauche …“. Oft reichen wenige Worte, um deutlich zu machen, was gerade innerlich bewegt – und was helfen könnte. Das können konkrete Bedürfnisse sein wie „Ruhe“, „Unterstützung“, „ein Gespräch“ oder einfach „Verständnis“.

Solche kurzen Formate fördern emotionale Intelligenz im Team auf mehreren Ebenen: Sie helfen dabei, sich selbst besser wahrzunehmen, geben Raum für Bedürfnisse und schaffen Verbindung unter Kolleg*innen.

Wenn Sie Ihre Teams dabei unterstützen möchten, ihre Resilienz zu stärken, begleite ich Sie gerne mit maßgeschneiderten Resilienz-Workshops. Vereinbaren Sie Ihren kostenlosen Beratungstermin:

Zum Weiterlesen:

Baer, U. & Frick-Baer, G. (2014): Das große Buch der Gefühle. Weinheim und Basel: Beltz

Hartmann, S. (2016): Yes, we (still) can! Team Resilience at the Workplace. Academy of Management Proceedings 2016(1):13157

Rascher, S. & Fahnenbruck, G. (2019). Critical Incident Stress Management 
– wie professionelle Krisenintervention die Luftfahrt resilienter macht. In C. Triebel, H. Heller, B. Hauser & A. Koch (Hrsg), Reslienz für die VUCA-Welt (S. 269-282). Springer.

*die Inhalte dieses Beitrags sind an die Studie angelehnt und alle Ergebnisse sind korrekt wiedergegeben. Bei der inhaltlichen Beschreibung habe ich mir kreative Freiheiten genommen.