Frau mit einer Tasse Tee

Mit mentaler Stärke durch die Unsicherheit

Seitdem die Lage in der Ukraine immer schlimmer wird, erhalte ich so viele Anfragen wie selten zuvor. Ich erlebe in Trainings Mitarbeiter:innen, die mit dem Kopf nur noch bei der Ukraine sind und coache Geschäftsführer, die nicht wissen, wie sie mit ihrer Unsicherheit und Angst vor drohenden wirtschaftlichen Problemen umgehen sollen. Deswegen möchte ich hier heute mit Ihnen einige Antworten auf die Frage teilen, was Sie in dieser schwierigen Situation tun können, um nicht zu verzweifeln. Das Interview mit mir führte FOCUS Online-Autorin Elisabeth Hussendörfer:

Als Resilienz-Trainerin machen Sie Menschen fit im Umgang mit Belastungssituationen. Greifen ihre Tipps auch in einer Krise wie der aktuellen oder kommen Sie an Grenzen?

Beides. Wir erleben eine nie da gewesene Situation und es wäre nicht ehrlich, wenn ich sagen würde: Ich bin auf all das vorbereitet. Andererseits setzt Resilienz durchaus auch bei großen Themen wie beispielsweise Traumatisierung an und gerade da zeigt sich, wie wichtig es ist, die Stabilisierung im Alltag im Blick zu haben. Es ist eben nicht verkehrt, jetzt und gerade jetzt besonders gut auf sich zu achten. Den Tee am Morgen schluckweise zu genießen etwa. Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Frühlings auf der Haut zu spüren. In Anbetracht des Krieges in der Ukraine mag das manchen Menschen allzu banal erscheinen. Der eine oder die andere hat vielleicht ein schlechtes Gewissen, wenn sie Wohlfühlmomente erleben. Aber: es ist wichtig, dass Sie Kraft tanken, in diesen Tagen vielleicht noch mehr als sonst.

Was kann jemand tun, der zwar selbst in Sicherheit ist, sich aber trotzdem Sorgen macht – um wirtschaftliche Auswirkungen des Krieges beispielsweise?

Die Angst wegschieben ist jedenfalls keine Option. Im Coaching machen wir genau das Gegenteil: Wir schauen uns die Angst genauer an, um dann mit ihr zu handeln. Dass wir keinerlei Erfahrung haben mit dem, was wir da gerade erleben, bringt zwei Probleme mit sich. Erstens: Um die Gefahr besser einordnen zu können beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Thema. Wir lesen die Nachrichten, schauen fern. Das erregt uns allerdings noch weiter und wir haben dann das Gefühl, noch mehr in Erfahrung bringen zu müssen. Wir geraten in einem Kreislauf, der immer mehr Aufmerksamkeit zieht und kaum Raum mehr für andere Gedanken lässt. Dadurch wird die Bedrohung übermächtig.

Und das zweite Problem im Umgang mit der Unsicherheit?

Was fremd ist und nicht kontrollierbar scheint triggert unsere Fantasie. Diese knüpft dann gern bei früheren Erfahrungen an. Vielleicht erinnert man sich an den Opa, der vom Krieg erzählt hat. Oder der immer so merkwürdig verschwiegen war. Wenn unsere Fantasie mal mehr, mal weniger bewusst Szenarien zeichnet, können diese mit Geschichten zu tun haben, die in der Familie erzählt wurden. Oder eben auch mit etwas, was nicht erzählt wurde. So oder so: Der ganze Bereich der gedanklichen Spekulation bringt Menschen in eine Art Einbahnstraße. Oft ist es dann, als würde man wie nach einer Bestätigung für die empfundene Gefahr suchen. Die Erwartungshaltung ist negativ, schon frühmorgens: Was passiert heute wieder? Sowas bringt uns in den totalen Stressmodus. Kleine Momente des Innehaltens sind jetzt unbedingt notwendig.

Die Tasse Tee? Die Sonnenstrahlen…?

Zum Beispiel. Eine gute Methode ist es, das Erlebte innerlich zu kommentieren. Also: Ist das angenehm, dieser wunderbare Duft. Oder auch: die Wärme auf der Haut. Indem wir uns bewusst machen, was wir wahrnehmen, machen wir uns im Wahrnehmen größer. Wir öffnen uns für noch mehr positive Erfahrungen. Eine weitere gute Methode, um die Belastungsspirale zu stoppen, ist bewusstes Atmen. Also: Die Hände auf dem Bauch legen, spüren, wie sich beim Einatmen der Bauch füllt. Und wie er sich beim Ausatmen senkt. Das macht rasch ruhiger, vor allem, wenn wir uns aufs Ausatmen fokussieren. Der Körper hilft uns sozusagen dabei, besonnen zu bleiben. Das ist in diesen Tagen wichtiger denn je.

Wir haben nun viel darüber gesprochen, wie wir stabil bleiben können und damit handlungsfähig und aktiv und leistungsbereit. Aber kann es nicht auch ein Zeichen von Stärke sein, wenn man sich eingesteht: Ich bin im Moment total schwach, fühle mich einfach nur ausgeliefert?

Es ist völlig okay, sich so zu fühlen. Wir müssen nicht für alles Lösungen haben und auch nicht immer aktiv sein. Die Verzweiflung zum Anlass zu nehmen, sich abzuschotten oder einzuschließen wäre aus meiner Sicht aber falsch. Eher sollten wir den Kontakt mit jemanden suchen, der uns guttut. Jemand, bei dem wir uns anlehnen können, vielleicht auch weinen, um endlich mal loszulassen. Menschen sind soziale Wesen, das Sprichwort „geteiltes Leid ist halbes Leid“ kommt nicht von ungefähr. Mein persönlicher Favorit für den Austausch mit anderen: Rausgehen in die Natur. Einen Spaziergang kann man schließlich auch mit Tränen machen.

 

Der Text ist ein Auszug aus einem Interview, das für den FOCUS Online aufgezeichnet wurde. Das ganze Interview lesen Sie in Kürze hier: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/psychische-widerstandsfaehigkeit-trainieren-resilienz-expertin-empfiehlt-in-der-dauer-krise-den-kommentar-trick_id_66456236.html


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