Psychologische Sicherheit als Grundpfeiler für Team-Resilienz
Das Silicon Valley setzt voll auf Kuschelkurs! Das glauben Sie nicht? Dann lesen Sie hier doch einmal, wie Google die psychologische Sicherheit erfand.
Natürlich ist das überspitzt formuliert – denn psychologische Sicherheit ist kein kuscheliges, nettes Extra und schon gar keine Erfindung von Google. Vielmehr ist Psychologische Sicherheit eine Grundvoraussetzung für stabile Teams, und selbst stark wettbewerbsorientierte Unternehmen wie Google wissen inzwischen um die Wichtigkeit vertrauensvoller Zusammenarbeit für den Unternehmenserfolg. Aber von vorne:
Bei Google arbeiten über 180.000 Menschen in unzähligen Teams zusammen. Davon manche erfolgreich, manche weniger erfolgreich – und irgendwann brachte das Google zu einer entscheidenden Frage: Was macht ein Team wirklich effektiv? Um eine fundierte Antwort zu finden, startete Google das Forschungsprojekt „Aristoteles“. Das Ziel: Die wichtigsten Faktoren für Team-Effektivität identifizieren. Über Jahre hinweg wurden über hundert Teams analysiert – und die Ergebnisse waren für viele (nicht jedoch für Resilienz-Expert*innen) überraschend.
Denn über den Erfolg eines Teams entscheiden weder die Teamgröße, noch die Dauer der Zusammenarbeit oder die individuelle Leistung der Team-Mitglieder. Die Forschung zeigte, dass Teams dann erfolgreich sind, wenn sie klare Strukturen, verlässliche Prozesse und eine sinnstiftende Arbeit haben. Doch all das nutzt wenig, wenn sich die Teammitglieder sich gegenseitig nicht genug vertrauen, ihre ihre Meinung zu sagen oder Fehler einzugestehen. Die global entscheidender Faktor für ein effektives Team ist: die psychologische Sicherheit.
Psychologische Sicherheit ist der Schlüsselfaktor für Team-Effektivität. Ohne psychologische Sicherheit bleiben Ideen unausgesprochen, Innovationen versanden, und Fehler werden vertuscht. Wer Angst vor Abwertung hat, hält sich zurück. Wer für ein ehrliches Feedback bestraft wird, schweigt lieber. So entsteht ein Teamklima, in dem alle auf Nummer sicher gehen – nicht gerade förderlich für Kreativität, Lernbereitschaft und Fortschritt.
Teams hingegen, die psychologische Sicherheit erleben, ticken anders: Sie teilen Wissen, hinterfragen kritisch, experimentieren ohne Angst. Sie vertrauen einander und trauen sich, Risiken einzugehen, weil sie wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können.
Psychologische Sicherheit als Schlüsselfaktor
Der Begriff „Psychologische Sicherheit“ wurde von der Harvard-Professorin Amy Edmondson geprägt und beschreibt das Vertrauen darauf, dass niemand im Team bloßgestellt oder bestraft wird, wenn er*sie eine Idee äußert, eine kritische Frage stellt oder einen Fehler zugibt. Psychologische Sicherheit ist damit keine Frage des Wohlfühlens, sondern eine Grundvoraussetzung für effektive Zusammenarbeit: Wer sich aus Angst vor negativen Reaktionen der anderen zurückhält, kann sich nicht voll und ganz einbringen, und das bremst das ganze Team aus.
Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, in die anderen Team-Mitglieder und ein allgemeines Grundvertrauen, dass sich die Dinge schon regeln werden, sind die Basis für psychologische Sicherheit in einem Team. Psychologische Sicherheit kann auf verschiedenen Wegen gefördert werden – welcher Ansatz für ein Team am wirkungsvollsten ist, hängt von der jeweiligen Situation ab. Genau hier setzen Workshops an: Sie ermöglichen es Teams, gezielt an den Aspekten zu arbeiten, die in ihrer aktuellen Lage den größten Mehrwert bieten. Je nach Bedarf kann der Fokus eines Workshops auf einem oder mehreren der folgenden Themen liegen:
Offene Kommunikation: Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Team-Mitglieder auch unbequeme Wahrheiten ansprechen, ohne Angst vor negativen Reaktionen zu haben. Probleme werden nicht unter den Teppich gekehrt, sondern konstruktiv diskutiert. Die Team-Mitglieder können darauf vertrauen, dass ihnen ihre Team-Kolleg*innen grundsätzlich wohlgesonnen sind und ihre Meinung zählt. Sie fühlen sich wohl dabei, „ihre Stimme zu erheben“. Als Folge gehen weder neue Ideen oder Vorschläge aus Angst vor Zurückweisung verloren, noch werden Bedenken oder Warnungen hinsichtlich potenzieller Probleme oder Risiken für sich behalten.
Konstruktiver Umgang mit Fehlern: Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Fehler als Lernchance verstanden werden. Wer etwas falsch gemacht hat, kann den Fehler ansprechen im Vertrauen darauf, nicht abgewertet zu werden, sondern Unterstützung zu erhalten. Die Bedeutung psychologischer Sicherheit entdeckte Amy Edmondson überhaupt erst wegen des unterschiedlichen Umgangs mit Fehlern in verschiedenen Teams: Sie stellte nämlich fest, dass in Hochleistungs-Teams überraschenderweise mehr Fehler passieren als in anderen. Erst bei einem genaueren Blick auf das Paradox kam sie dahinter, dass in solchen Teams tatsächlich zwar genauso viele (oder wenige) Fehler passieren wie in anderen Teams, aber mehr darüber gesprochen wird. Nämlich, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, und um Kolleg*innen zu zeigen: „Ich unterstütze dich, auch wenn du einen Fehler gemacht hast – das passiert uns allen.“
Gegenseitige Unterstützung: Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Wissen aktiv geteilt wird, anstatt es für sich zu behalten. Niemand wird für Fragen oder Kritik belächelt. Die Voraussetzung dafür ist eine gesunde Selbstwirksamkeitserwartung bei den einzelnen Team-Mitgliedern, sozusagen die Unterstützung für sich selbst. Wer auf eigenes Wissen und Fähigkeiten vertraut, braucht keinen Machtverlust zu fürchten, wenn er oder sie dieses Wissen teilt.
Eine gleichmäßige Beteiligung: Psychologische Sicherheit bedeutet, dass alle die Möglichkeit haben, sich einzubringen. Redeanteile sind fair verteilt, und nicht nur die lautesten oder ranghöchsten Personen bestimmen das Gespräch. Teams bringen bessere Ergebnisse, je diverser sie sind – die kollektive Intelligenz von Teams steigt rapide, wenn die Teams in Hinblick auf Gender, Ethnie und Intro-/Extroversion divers ist (Prof. Anita Wooley beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema). Diversität kann ein enormer Erfolgsfaktor sein, allerdings nur dann, wenn die Team-Mitglieder sich sicher fühlen, ihre Perspektiven einzubringen. Fehlt psychologische Sicherheit, dominiert oft eine kleine Gruppe das Gespräch, während andere sich zurückziehen. Dann bleiben die Vorteile diverser Teams ungenutzt oder die Team-Performance sinkt sogar.
Psychologische Sicherheit ist also vielschichtig. Leider kann sie nicht einfach verordnet werden, sondern wächst aus positiven Erfahrungen miteinander. In Team-Workshops kann dieser Prozess unterstützt werden. Zum Beispiel mit strukturierten Feedback-Übungen. Das hilft dabei, gegenseitige Wahrnehmungen und Erwartungen offenzulegen und so Missverständnisse zu vermeiden. Das Ziel: mehr Klarheit darüber, wie man sich selbst im Team erlebt – und wie man von anderen wahrgenommen wird. In einem gut moderierten Prozess können die Workshop-Teilnehmer*innen sich erlauben, sich den anderen zu öffnen. Offenheit ist ein extrem wichtiger Schritt, denn dadurch macht man sich potenziell verletzlich. Gleichzeitig ermöglicht man erst so eine vertrauensvolle Beziehung, denn die Botschaft ist klar: „Ich biete dir die Möglichkeit, mich zu verletzen; vertraue aber darauf, dass du es nicht tun wirst.“
Die Feedback-Schleife ermöglicht es, ehrliche Rückmeldungen in einem strukturierten Rahmen zu geben und zu empfangen. Indem Teammitglieder ihre Wahrnehmung teilen, schaffen sie Transparenz – und Transparenz ist eine der wichtigsten Grundlagen für Vertrauen.
In einem ersten Schritt reflektiert jedes Team-Mitglied für sich, wie es sich im Team erlebt und wie es sich typischerweise verhält. Im nächsten Schritt bekommt jede/r von den anderen gespiegelt, wie er/sie von ihnen wahrgenommen wird. Dafür notieren alle Teammitglieder auf Flipcharts ihre Gedanken dazu, wie sie die Person im Team erleben und was sie sich von ihr wünschen würden, um produktiver zusammenarbeiten zu können.
Die Leitfragen für das Feedback lauten:
- So erlebe ich dich im Team…
- Bitte behalte bei… (Was ich an deinem Verhalten schätze)
- Bitte mache mehr… (Was ich mir von dir zusätzlich wünsche)
- Bitte mache weniger… (Was mich manchmal behindert oder stört)
Diese Übung funktioniert besonders gut in einem sogenannten Gallery Walk: Die Teammitglieder bewegen sich zwischen den Flipcharts, lesen die bereits notierten Rückmeldungen zu ihren Kolleg*innen und ergänzen ihre eigenen Gedanken. Am Ende hat jede/r ein persönliches Blatt mit wertvollen Rückmeldungen und Entwicklungsimpulsen. Viele erleben durch die Übung einen Aha-Moment: Bestimmte Verhaltensweisen, die sie als unproblematisch oder selbstverständlich empfanden, werden plötzlich aus einer neuen Perspektive sichtbar. Gleichzeitig entsteht durch die wertschätzende und konstruktive Art des Feedbacks eine Atmosphäre der Offenheit.
Psychologische Sicherheit wächst nicht über Nacht – aber sie kann gezielt gefördert werden. Übungen wie diese helfen Teams, in einen offenen Austausch zu kommen, Erwartungen abzugleichen und Vertrauen Schritt für Schritt aufzubauen.
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