Dauerhafte Emotionsregulation
Um unsere Gefühle dauerhaft effektiv zu steuern, hilft es diese Emotionen genauer unter die Lupe zu nehmen. Unsere Gefühle entstehen durch unsere eigenen Bewertungen von Situationen. Diese Bewertungen sind sehr individuell und entstehen durch unsere früheren Erfahrungen und Erlebnisse. Daraus resultieren wiederum Überzeugungen über uns selbst.
Ein Beispiel:
Als Kind macht Peter die Erfahrung, dass seine Eltern ihm wenig zutrauen. Jetzt als Erwachsener wird Peter immer wütend, sobald ihm jemand unaufgefordert etwas erklären will. Er hat das Gefühl, als inkompetent wahrgenommen zu werden, so wie er auch als Kind erlebt hat. Diese Überzeugung ist aber nicht hilfreich. Vielleicht will sein Gegenüber einfach nur höflich sein und ihm einen Gefallen tun.
Solchen Überzeugungen gilt es auf den Grund zu gehen. Wenn Sie sich bewusst machen, wie Ihre Bewertungen von Situationen zustande kommen, können Sie Ihre Emotionen besser steuern. In den betreffenden Situationen sollten Sie sich also fragen: Stimmen Ihre Überzeugungen mit der Realität überein? Wenn Sie sich bewusst machen, dass Sie durch Ihre eigene Bewertung – Ihre „Wahr-gebung“ – der Situation Ihre Gefühle regulieren können, schaffen Sie effektive Handlungsalternativen und stärken damit Ihre Resilienz.
Dieser Aspekt der Emotionsregulation ist auch Teil des Resilienzkonzepts von Karen Reivich und Andrew Shatté im „ABC-Modell“ (The Resilience Factor, 2003, S. 84 ff.) : Gerade dann, wenn wir richtig im Stress sind, überfallen uns meist mehrere Gefühle gleichzeitig. Dieses Gefühschaos können wir effektiv aufräumen, wenn wir uns genau überlegen, welche Gedanken und Bewertungen unseren Emotionen zu Grunde liegen.
Ein Beispiel (in Anlehnung an Reivich & Shatté, 2003, S. 84 ff.):
Herr Z. wechselt seinen Job. Unter anderem hat er sich für die Stelle entschieden, da sich das Unternehmen für die Work-Life-Balance der Angestellten einsetzt. Nach 6 Monaten hat sich Herr Z. gut eingearbeitet und auch mit den Kollegen versteht er sich bestens. Dann erkrankt seine kleine Tochter und seine Frau muss sich oft frei nehmen. Als Frau Z. ein schlechtes Gewissen gegenüber Ihrem Chef bekommt, bittet sie ihren Mann, einen Arztbesuch mit der Tochter zu übernehmen. Auf seine Bitte, die Arbeit früher zu verlassen, reagieren seine Kollegen forsch: „Lass das nicht zur Gewohnheit werden!“ Daraufhin überflutet ihn ein Schwall an Emotionen: Wut, Schuld, Scham – damit ist er ganz schön überfordert. Den restlichen Tag kann er sich nur schwer auf die Arbeit konzentrieren. Also beschließt er, seine Kollegen auf die Bemerkung anzusprechen. Um jedoch im Gespräch die Fassung zu bewahren, muss er sein Gefühlschaos erst entwirren. Er geht den unterschiedlichen Gefühlen auf den Grund und überlegt, welche Bewertungen dahinter stecken.
- Wut: „Ich bin echt wütend. Jetzt habe ich mich extra für diese Firma entschieden, weil sie hinter der Work-Life-Balance steht und dann kommt so ein heuchlerischer Kommentar. Und außerdem gebe ich doch mein Bestes und bin noch nie früher aus der Arbeit gegangen. Das ist echt respektlos.“ Hier wird deutlich, dass sich Herr Z. in seinen Rechten verletzt fühlt. Er denkt, dass ihn die Firma während der Bewerbungsphase getäuscht hat.
- Schuld: „Ich fühle mich schuldig gegenüber meiner Familie. Ich will doch eigentlich für sie da sein und sie unterstützen. Wenn ich das nächste Mal darum bitte, früher zu gehen, dann wird das wahrscheinlich nicht möglich sein. Dann lasse ich meine Frau und meine Tochter im Stich.“ Herr Z. denkt, dass er die Rechte seiner Familie verletzten könnte, wenn er sie in Zukunft nicht so unterstützen kann, wie sie es eigentlich verdienen.
- Scham: „Wenn ich jetzt heute Nachmittag schon das Büro verlasse, dann könnte ich von meinen Kollegen gesehen werden. Dann würden sie denken, dass ich meine Aufgaben nicht gewissenhaft erledige und mir die Arbeit nicht wichtig genug ist.“ Herr Z. wertet sich ab – er vergleicht sich mit seinen Kollegen und denkt, dass er ein schlechterer Arbeitnehmer ist.
Das systematische Aufspüren seiner Überzeugungen und die Verbindung zwischen seinen Überzeugungen und Gefühlen, hilft Herrn Z. zu verstehen, wie ein einziger Kommentar zu so vielen Emotionen führen konnte. Damit trennt er die Problemfelder voneinander und differenziert zwischen den Emotionen, die er mit seinen Kollegen und seinem Chef diskutieren will, und den Emotionen, die nur ihn persönlich betreffen. Es kostet ihn nur 10 Minuten, diese Verbindungen näher zu betrachten, aber so vermeidet er nicht nur stundenlanges Grübeln, sondern auch eine unangemessene Reaktion gegenüber seinen Kollegen.
Wenn Sie dieses „Ich-Bewusstsein“ nutzen, beeinflussen Sie Ihre Problemlösekompetenz positiv und können Konflikte effektiv lenken.