Umgang mit Unerwartetem
Der Umgang mit Unerwartetem ist einer der vier Schlüssel für Team-Resilienz. Die Arbeit im Team stellt in modernen Unternehmen die gängigste Arbeits- und Kooperationsform dar. Teams müssen als System auf Belastungen und Druck reagieren und mit Krisen umgehen können. Dabei ist für Teams, genauso wie für Einzelpersonen oder ganze Unternehmen, die Zukunft in einer komplexen Arbeitswelt nicht mehr detailliert plan- oder vorhersagbar. Der Umgang mit Unerwartetem ist deswegen ein wichtiger Resilienzschlüssel für die Team-Resilienz.
Teams, deren Umgang mit Unerwartetem gut ausgeprägt ist:
- haben Zuversicht, mit unerwarteten Situationen umgehen zu können
- bleiben gelassen auch in turbulenten Situationen
- unterstützen sich gegenseitig
- können ihre Aufgabenverteilung bei Bedarf selbstverantwortlich ändern
- passen ihre Arbeitsweise flexibel dem Unerwarteten an
Zuversicht im Umgang mit Unerwartetem
Ein guter Umgang mit Unerwartetem beginnt schon, bevor „Unerwartetes“ eintritt: nämlich mit der Zuversicht aller Team-Mitglieder, dass das Team solche Situationen gut meistern kann. Diese Zuversicht beinhaltet einerseits Optimismus, mit dem die Team-Mitglieder realistisch-positiv auf eine Situation, die so nicht planbar war, blicken. Andererseits zeugt sie auch von der Selbstwirksamkeit, die ein Team aufgebaut hat durch die Erfahrung, auch unerwartete Situationen schon vorher gemeistert zu haben. Eine gute Methode, um in Teams Zuversicht auch im Umgang mit Unerwartetem zu schaffen ist es, dass sich das Team die eigenen Stärken bewusst macht. In einem Stärken-Workshop beispielsweise arbeitet ein Team heraus, wo gerade in dieser Team-Zusammensetzung Stärken liegen, die auch schon in der Vergangenheit zur Bewältigung schwieriger Situationen beigetragen haben und auf welche Stärken das Team in der Zukunft setzen kann.
Bei Unerwartetem gelassen bleiben
Es ist nicht einfach, in turbulenten Situationen einen klaren Kopf zu bewahren. In jeder Gruppe, so auch in Teams, besteht die Gefahr, dass Panik sich schneller verbreitet als Besonnenheit. Deswegen gehört zur Team-Resilienz die Fähigkeit, auch in solchen Situationen gelassen zu bleiben. Um auch angesichts der unsicheren Zukunft gelassen zu bleiben, können Teams gut mit der Szenario-Technik arbeiten, in dem verschiedene Szenarien durchgedacht werden, wie sich die Situation entwickeln könnte (worst case, best case, Szenario mit höchster Wahrscheinlichkeit des Eintretens…). Diese Intervention macht dem Team klar, dass es Optionen hat und die Zukunft nichts ist, dem es unausweichlich ausgeliefert ist (Roehl, S. 118-125). In vielen schwierigen Situation ist es für Teams auch sinnvoll, sich Zeit zuzugestehen um sich gedanklich auf die Situation einzustellen und die Veränderung zu akzeptieren. Dieser scheinbar „einfache“ Weg führt zu mehr Gelassenheit, wenn das Team sich dadurch klarmacht, dass anfängliche Gefühle von Angst und Widerstand angesichts vollkommen unerwarteter Ereignisse ganz normal sind.
Unterstützung in kritischen Situationen
In unerwarteten Situationen, auf die man sich nicht vorbereiten konnte, braucht es oft akut gegenseitige Unterstützung. Einerseits ganz im praktischen Sinne, denn es besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb eines Teams zumindest ein Teammitglied eine Idee oder Fähigkeit zur Lösung eines bisher unbekannten Problems mitbringt. In solchen kritischen Situationen ist eine hohe Team-Diversität besonders hilfreich und zahlt sich oft aus. Andererseits unterstützen sich resiliente Teams auch im Sinne der psychologischen Unterstützung als Ansprechpartner*in für Gedanken, Sorgen und Emotionen, die mit der kritischen Situation einhergehen. Resiliente Teams haben für solche kritischen Situationen Unterstützungsmechanismen, die sich von ihrem Verhalten im normalen Arbeitsalltag unterscheiden. Das kann zum Beispiel eine außergewöhnliche Bereitschaft für gegenseitige Arbeitsübernahme untereinander sein oder ein verstärktes „Umeinander kümmern“. Gibt es solche Unterstützungsmechanismen, bleibt die Leistung des Teams und auch die Arbeitszufriedenheit im Team selbst in schweren Krisenzeiten hoch (Hartmann, S. 2)
Neue Aufgabenverteilung bei Unerwartetem
Team-Resilienz zeigt sich zudem in der Flexibilität, mit der Teams auf Unerwartetes reagieren können. Für diese Flexibilität spielt die Eigenverantwortung über die Aufgabenverteilung in Ausnahmesituationen eine große Rolle. In einer stabilen und relativ verstehbaren Umwelt ist eine Struktur, in der die Aufgabenverteilung festliegt und nur hierarchisch bei Bedarf geändert wird, eine gute Strategie. In einer komplexen Umwelt jedoch, die von unerwarteten Ereignissen und unplanbarer Zukunft geprägt ist, ist diese reine Pyramidenstruktur nicht mehr funktionsfähig (Laloux, S. 58). Solche Umwelten sind zu komplex, als dass Entscheidungen einzelner Personen (also Führungskräfte) alle daraus folgenden Konsequenzen berücksichtigen könnten. Gerade in akuten Krisen brauchen Teams die Freiheit, ihre Aufgabenverteilung eigenständig und flexibel den jeweiligen Umständen anzupassen (Borgert, S. 141).
Anpassen der Arbeitsweise an Situationen von Unerwartetem
Hand in Hand mit der Freiheit, die Aufgabenverteilung eigenständig zu ändern, geht die Fähigkeit und Bereitschaft resilienter Teams, ihre Arbeitsweise unerwarteten Problemen anzupassen. Denn es ändert sich in kritischen Situationen nicht nur, was jetzt getan werden muss, sondern auch, wie es am besten getan wird. Eine gute Art, sich an die situations-ideale Arbeitsweise anzunähern ist ein Arbeiten in iterativen Schleifen, wie es im agilen Arbeiten üblich ist. Dadurch können Arbeitsweisen schrittweise geändert und gleichzeitig getestet werden, um sich so einer Lösung für unerwartete Situationen anzunähern.
Handlungsoptionen für komplexe Umwelten
In einem Arbeitsumfeld, das sich durch zunehmende Komplexität auszeichnet, sind Konsequenzen und Ergebnisse des eigenen Handelns nur noch schwer vorherzusehen. Der Umgang mit unerwarteten Situationen, die nicht im Bereich des Planbaren liegen, wird deswegen zu einer häufigen Herausforderung für Teams. Resiliente Teams, die ihren Umgang mit Unerwartetem gut entwickelt haben, stehen solchen Situationen nicht unvorbereitet gegenüber, sondern haben bereits Handlungsoptionen zu ihrer Bewältigung.
Literatur zu Umgang mit Unerwartetem:
Borgert, S. (2018). Unkompliziert!, Offenbach: Gabal
Hartmann, S. (2016). Yes, we still can! Team resilience at the workplace. In: Academy of Management Annual Meeting Proceedings 2016(1):13157
Heller, J. (2018). 30 Minuten – Resilienz für Unternehmen. Offenbach: Gabal
Laloux, F. (2017). Reinventing Organizations visuell. Ein illustrierter Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Franz Vahlen
Roehl, H. et al. (Hrsg.) (2012). Werkzeuge des Wandels. Stuttgart: Schäffer-Poeschel
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