Serendipity
Manche Menschen scheinen einfach immer Glück zu haben. Kaum haben sie eine Idee für ein neues Projekt, laufen ihnen Leute über den Weg, die ihnen Kontakte vermitteln oder genau den passenden Raum dafür haben. Hat ihr Flug stundenlang Verspätung, lernen sie beim Warten jemanden kennen, der am Zielort das beste Restaurant kennt und ihnen noch einen persönlichen Gruß an den Chef mitgibt. Und auf der letzten Party haben sie von einem anderen Gast ein wirklich gutes Jobangebot bekommen.
Dass solche Menschen in ungewissen Zeiten resilienter sind, ist einfach zu glauben. Denn wenn einem der Zufall ständig so in die Hände spielt, ist es natürlich einfach, darauf zu vertrauen, dass sich immer alles zum Guten fügen wird. Oder ist es vielleicht andersherum? Haben diese Menschen nicht einfach nur mehr Glück als andere, sondern schaffen selbst die Voraussetzungen dafür, dass ihnen mehr Gutes als Schlechtes widerfährt? Das ist genau die Idee von „Serendipity“, für die es noch keine gute deutsche Bezeichnung gibt.
Serendipity
Serendipity wird nämlich im Deutschen ungefähr mit „glücklicher Zufall“ übersetzt. Eigentlich bezeichnet sie aber das Phänomen, zu einer Erkenntnis zu gelangen oder etwas zu finden, nach dem man nicht explizit gesucht oder geforscht hat. Der sperrige Ausdruck Serendipity geht auf eine Fabel von drei Prinzen aus Serendip zurück. Sie können, als es darauf ankommt, eine sehr präzise Beschreibung eines Kamels geben und verdienen sich damit die Gunst des Königs, dem es entlaufen ist. Der Witz an der Geschichte: die Prinzen haben das Kamel nie gesehen, aber aus Zeichen und Hinweisen, die sie auf ihrem Weg wahrgenommen haben, fügen sie im entscheidenden Moment ihr Wissen zu einem großen Ganzen zusammen (eine ausführlichere Version der Fabel können Sie hier nachlesen). Sicher kennen Sie die berühmtesten Beispiele für Serendipity: Die Erfindung des Post-its, weil ein Kleber nicht so funktionierte, wie er sollte, sondern sich immer wieder ablösen ließ; die Entdeckung Amerikas bei der Suche eines Seewegs nach Indien; oder die Entdeckung des Penicillins, weil eine Petrischale mit Bakterienkulturen verunreinigt und über Tage im Labor vergessen wurde.
Es geht also bei Serendipity eigentlich weniger um Glück oder um Zufall, sondern mehr um eine Offenheit, Dinge wahrzunehmen, die unbedeutend scheinen, und um die Fähigkeit, diese Kleinigkeiten dann so zu verbinden, dass sie Sinn ergeben. Man könnte also von einer „Glücksbereitschaft“ sprechen. Und die können wir ja gerade dann gut gebrauchen, wenn die Umstände schwierig sind, oder wenn wir nicht wissen, was auf uns zukommt und deswegen vielleicht sogar mit Angst und Sorge in die Zukunft blicken.
Serendipity-Mindset
Ein Serendipity-Mindset, mit dem Sie solche scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten wahrnehmen und ihren verborgenen Sinn finden, können Sie sich selbst schaffen. Dazu gehört vor allem:
Kultivieren Sie eine aktive Offenheit.
Es reicht ja nicht, dass glückliche Fügungen passieren. Es braucht auch die Bereitschaft, solche Fügungen zu bemerken und zu nutzen! Menschen, die vom Leben eher Gutes erwarten, erleben auch eher Gutes. Das hat mit dem Fokus unserer Aufmerksamkeit zu tun: Wenn wir uns trainieren, den positiven Dingen Aufmerksamkeit zu schenken, dann fallen sie uns mit der Zeit automatisch mehr auf als andere Dinge. Dieser Effekt fühlt sich oft an wie eine sich selbst verstärkende Spirale: Sobald Sie etwas Schönes wahrnehmen, zieht das noch weitere schöne Dinge nach sich: Sie werden offen für Schönes.
Es hilft aber auch, dem Zufall aktiv Gelegenheiten zu verschaffen. Beispielsweise durch eine grundsätzlich offene und positiv neugierige Einstellung zu anderen Menschen und die Bereitschaft, mit ihnen in Kontakt zu treten. Oft unterschätzen wir nämlich die Kraft der Statistik: Wenn andere Menschen von Ihrem Anliegen erfahren, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie es wiederum anderen erzählen – oder sich daran erinnern, wenn sie von ähnlichen Themen hören. Und so kann die Menge an Personen, die Ihr Anliegen kennt, ganz schnell wachsen und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich in dieser jemand befindet, der Sie zu Ihrem Serendipity-Moment führt.
Gestalten Sie Ihr Leben – statt es geschehen zu lassen.
Wenn sich Ihnen Gelegenheiten bieten, dann brauchen Sie Mut, um sie auch zu ergreifen. Schließlich garantiert Ihnen niemand, dass diese Gelegenheit wirklich gut ausgeht. In den meisten Fällen kann es ja auch schlecht ausgehen, oder Sie müssen etwas anderes aufgeben und abwägen, ob es Ihnen das wert ist. Wenn Sie allerdings Ihre Stärken kennen und einsetzen, wenn Ihnen bewusst ist, was Sie bisher schon alles geschafft haben: Dann können Sie viel eher darauf vertrauen, dass Sie alle Herausforderungen bewältigen werden, die Ihnen unter Umständen durch diese Entscheidung entstehen.
Auch ein stabiler, interner Attribuierungsstil baut immer mehr Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft des Lebens auf. Prüfen Sie Ihren Attribuierungsstil, indem Sie sich bei guten Ereignissen fragen: Was war die Ursache dafür? Wenn Ihre Antwort lautet: „Ich hatte zufällig mal Glück“, dann attribuieren Sie extern („Glück“) und instabil („zufällig“). Besser wäre es, wenn Sie die Gründe finden, warum Sie selbst für dieses gute Ereignis verantwortlich sind (also intern attribuieren). Und noch besser, wenn Sie diese Gründe mit Ihrer Persönlichkeit, Ihren Talenten oder Fähigkeiten in Zusammenhang bringen können (also stabil attribuieren). Je mehr Sie einen internen stabilen Attribuierungsstil trainieren, desto mehr werden Sie Ihr Leben aktiv gestalten.
Kennen Sie Ihre Lebensvision.
Das mag auf den ersten Blick der aktiven Offenheit widersprechen, die ich Ihnen anfangs empfahl. Denn es geht bei dieser Offenheit ja gerade darum, offen auch für Unerwartetes und Ungeplantes zu sein und sich ungerichtet in Ihrem Umfeld zu bewegen. Aber eine Serendipity-Gelegenheit werden Sie umso schneller erkennen, je klarer Ihnen ist, wohin Sie Ihr Weg führen soll. Ihre Lebensvision ist wie ein Leitstern, der Ihnen die Richtung angibt – dafür muss sie Ihnen nicht in allen Einzelheiten bewusst sein. Aber sie sollten wissen, wie sie ungefähr aussieht. Denn oft sind es Kleinigkeiten, die sich im Nachhinein als wichtige Teile eines entscheidenden Ereignisses herausstellen. Wenn Ihr Fokus bereits auf Ihr Ziel eingestellt ist, bemerken Sie solche Kleinigkeiten natürlich besser oder erinnern sich im entscheidenden Moment daran.
Gelassen in die Zukunft
Wenn Sie Ihr Serendipity-Mindset stärken, dann schaffen Sie einen Rahmen dafür, dass sich die Dinge gut für Sie entwickeln. Es unterstützt Ihre Widerstandskraft, wenn Sie auch in schwierigen Situation darauf vertrauen, dass sich die Dinge fügen werden. Wenn also das nächste Mal Ihre Pläne über den Haufen geworfen werden, bleiben Sie gelassen – vielleicht finden Sie gerade in dem darauf folgenden improvisierten Chaos Ihren Serendipity-Moment.
Zum Weiterlesen:
- Busch, C. (2020). Connect the dots. The Art and Science of Creating Good Luck. UK: Penguin Random House.
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Ich freue mich auf Ihre Anfrage!
Dankeschön für den wunderbaren Blogbeitrag mit den tollen Tipps. Ich glaube Serendipity ist oft auf meiner Seite, und jetzt habe ich endlich einen Namen dafür. Bin gespannt, ob wir irgendwann eine bessere Übersetzung oder ein neues Kunstwort dafür kreieren müssen. Klingt ja schon etwas gewöhnungsbedürftig.