Vertrauen in Organisationen
Glauben Sie eigentlich nach 2 Jahren Pandemie noch genauso wie zuvor, dass Sie mit allen Entwicklungen in der Zukunft zurechtkommen werden? Oder hat sich ihr Vertrauen in die Zukunft verändert? Und wie ist es mit dem Vertrauen in Ihr Unternehmen – glauben Sie, dass Ihr Unternehmen auch in der Zukunft gut mit allen Krisen zurechtkommen wird, die uns erwarten?
Viele Menschen haben im Laufe der jetzigen Krise Vertrauensverluste erlitten. Dabei ist Vertrauen so wichtig: für unser Wohlbefinden, für unsere Beziehung zu Anderen, und für unseren gelassenen Blick in die Zukunft. Die Psychologie spricht von der Vertrauens-Trias: Vertrauen in uns selbst, in Andere und in die Zukunft. Dass es Ihnen selbst besser geht, wenn Sie vertrauen, spüren Sie wahrscheinlich ganz direkt. Aber auch für Unternehmen ist das Thema Vertrauen sehr bedeutsam. Und in der aktuellen Krise müssen Unternehmen das Selbstvertrauen ihrer Mitarbeiter:innen, deren Vertrauen untereinander und in die Zukunftsfähigkeit der Organisation stärken, um weiterhin gut agieren zu können.
Vertrauen in Organisationen
Alle Organisationen arbeiten im Grunde auf Vertrauensbasis. Schließlich kann keine Organisation Sie zwingen, Ihre Arbeit zu machen! Selbst wenn sie es durch Regeln und Vorschriften versucht: Wer will, wird immer Mittel und Wege finden, Regeln und Vorschriften zu umgehen. Deswegen baut das System Organisation darauf, dass die Mitarbeiter:innen von sich aus ihre Arbeit gut machen wollen.
Im positiven Fall setzt in Organisationen eine Vertrauensspirale ein, die folgendermaßen abläuft: Die Mitarbeiter:innen erhalten einen Vertrauensvorschuss, der sie motiviert, gute Leistung zu bringen. Mit dieser Leistung bestärken sie das Vertrauen ihrer Vorgesetzten, Kolleg:innen und der Organisation und schaffen damit die Voraussetzung für noch weiter gehendes Vertrauen zwischen einander. Reinhard Sprenger drückt es so aus:
“Menschen, die vertrauenswürdig behandelt werden, tendieren dazu, sich vertrauenswürdig zu verhalten.”
Einer solchen Vertrauensspirale liegt ein impliziter Vertrag zugrunde, dass beide Parteien ein ausgewogenes Verhältnis von Geben und Nehmen einhalten. Implizit heißt in diesem Fall: Es geht um die nicht ausgesprochenen bzw. schriftlich festgelegten Leistungen und Verhaltensweisen. Also z.B. wie schnell reagiere ich auf eine eMail des Mitarbeiters? Bis zu welchem Grad verstehe ich die Aufgabenerfüllung meiner Kollegin auch als meine Verantwortung? Und ausgewogen bedeutet in diesem Fall, dass die Leistung und das Verhalten des/der anderen dem entspricht, was ich erwarte – nicht unbedingt, dass beide Parteien genau gleichviel geben und nehmen. Wenn beide – Führungskraft und Mitarbeiter:in – mit einem Vertrauensvorschuss in die (Arbeits-) Beziehung gehen, kann sich von Anfang an ein für alle ausgewogenes Verhältnis entwickeln. Im Laufe der Zusammenarbeit tariert jede:r für sich dann fortwährend aus, ob der/die andere so viel gibt und nimmt, dass das subjektive Gleichgewicht gewahrt ist. Dann kann das Vertrauensverhältnis weiterhin wachsen.
Die Haltung des “Vertrauen-Schenkens” steht dabei in einem positiven Spannungsverhältnis zur Haltung der “Vorsicht”. Blindes Vertrauen ist in Organisationen genau so wenig angebracht wie eine übervorsichtige Haltung, die sich in Kontrollverhalten ausdrückt. Begegnen Führungskräfte ihren Mitarbeiter:innen mit einer vertrauensvollen Haltung, gepaart mit Vorsicht, können sie ihr gegenseitiges Vertrauensverhältnis konstruktiv immer weiter entwickeln.
Regeln und Regelbrüche
Natürlich muss es in Organisationen auch Regeln geben, anders könnten so komplexe Systeme nicht funktionieren. Und Organisationen vertrauen darauf, dass sich ihre Mitglieder an die Regeln halten. Dieses Vertrauensverhältnis beinhaltet aber auch implizit, dass die Organisation Regelbrüche ihrer Mitarbeiter:innen toleriert – im Vertrauen darauf, dass diese im Sinne der Organisation geschehen oder dass sie im Nachhinein ausgesprochen und legitimiert werden. Regelbrüche können beispielsweise nötig werden, wenn Erlaubnisketten zu langwierig wären oder es sich um Ausnahmesituationen handelt. Keine Organisation sollte jede Eventualität zu regeln versuchen, denn dann würde sie an ihren eigenen Regelungen ersticken. So viele Regeln braucht es aber auch gar nicht, wenn die Organisation eben darauf vertraut, dass die Regeln im angemessenen Ausmaß befolgt – oder eben gebrochen – werden.
Organisationsmitglieder, die gegen Regeln verstoßen, tun das im Bewusstsein, dass dies entweder nachträglich durch Konsensfindung gebilligt wird oder dass es geheim bleibt. Andernfalls laufen sie schließlich Gefahr, das entgegengebrachte Vertrauen zu verlieren. Vertrauen ist fragil –manchmal kann eine lange Vertrauensbeziehung durch einen einzigen Vertrauensbruch gestört werden. Und eine nachhaltige oder wiederholte Enttäuschung des Vertrauens zieht praktisch immer Dauerbeobachtung und erhöhte Kontrolle nach sich.
In den letzten Monaten haben aber die meisten Führungskräfte eine gegenteilige Erfahrung gemacht: Mitarbeiter:innen im Home Office nutzten das in sie gesetzte Vertrauen nicht aus. Im Gegenteil, in den meisten Fällen arbeiteten sie sogar mehr! In der Situation, dass viele Arbeitsplätze von heute auf morgen völlig unvorbereitet ins Home Office verlagert wurden, mussten sich Führungskräfte daran gewöhnen zu vertrauen – weil ihnen gar nichts anderes übrig blieb. Und für viele hat sich diese Situation als Lernfeld herausgestellt, in dem sie die Erfahrung machen konnten, dass sich vertrauensvolles Führen lohnt und sogar für alle von Vorteil ist.
Selbstvertrauen stärken
Kommen wir noch einmal zurück auf das Vertrauen in sich, also in das Selbstvertrauen. Aus allen bisherigen wird schon klar, dass Menschen mit gesundem Selbstvertrauen lösungsorientierter handeln, wenn man sie denn auch lässt. Erst dann, wenn sie in sich und ihr Handeln vertrauen, können sie entscheiden, ob eine Regel im jeweiligen Moment vielleicht besser gebrochen wird. Genauso braucht es ein gesundes Maß an Selbstvertrauen, um im Home-Office eigenverantwortlich Aufgaben ohne kontinuierliche Rückversicherung auszuführen.
Vertrauen fordert also Selbstvertrauen, denn vertrauen kann nur (nach Niklas Luhmann):
- wer innerlich die Wahl zwischen Ver- und Misstrauen hat,
- wer Angsttoleranz hat und deshalb nicht, um Ängste zu beruhigen zwanghaft auf Kontrolle setzen muss,
- wer mit Enttäuschungen so umgehen kann, dass er weder sich noch den anderen anklagt und mit Vorwürfen überzieht,
- wer auch dann liebevoll mit sich und anderen umgehen kann, wenn Menschen, auf die man sich verlassen hat, sich abwenden, Kritik üben oder die Loyalität aufgeben.
Organisationen brauchen Menschen, die ein gutes Selbstvertrauen haben, um handlungsfähig zu bleiben. Das emotionale Gegenteil von Vertrauen ist nämlich Angst – und Menschen, die aus Angst handeln, haben eigentlich nur noch 3 Handlungsoptionen, nämlich die primären Verhaltensmuster „fight“, „flight“ oder „freeze“. Entweder reagieren die Menschen also grundlos aggressiv auf das, was ihnen Angst macht, weichen der vermeintlichen Gefahr aus oder aber verfallen in Schockstarre und handeln nur noch auf explizite Anweisung. Angst zieht jedenfalls immer Enge und Fokussierung nach sich. Menschen, die aus Angst heraus handeln, verlieren leicht die Anderen und das große Ganze aus dem Blick und treffen ihre Entscheidungen dann nur noch in einem sehr kleinen, ichbezogenen Fokus – und all das sind keine wünschenswerten Verhaltensweisen für Mitglieder einer Organisation.
Zum Weiterlesen:
- Metatheorie der Veränderung von Klaus Eidenschink: https://metatheorie-der-veraenderung.info/wpmtags/metatheorie-der-veraenderung/, Stichwortsuche “Vertrauen”
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