Ein Mann im Anzug geht über einen breiten Zebrastreifen. Das Bild verdeutlicht die Selbstfindung im Coaching.

Die Reise zur Selbstfindung: Coaching für Führungskräfte

In diesem Beitrag lesen Sie, welche Grundsätze einem professionellen Coaching zugrunde liegen und wie ein Coaching-Prozess Sie mithilfe dieser Grundsätze in Ihrer persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung und bei Ihrer Selbstfindung unterstützen kann. Sie lernen verschiedenen Beispiele aus der Coaching-Praxis kennen, die in all ihrer Vielfältigkeit durch Coaching zu besseren Lösungen und Entscheidungen gefunden haben.

Im Dezember 2023 hat eine der großen Gestalten der Neurolinguistischen Psychologie, kurz NLP, ihre aktive Karriere beendet und ist in Rente gegangen: Chris Hall.

Chris Hall hat meine Auffassung von Coaching maßgeblich geprägt, nicht nur während der Ausbildung zur zertifizierten Lehrtrainerin, die ich bei ihr absolvieren konnte. Sie war eine der besten Ausbilderinnen, die ich in den über 20 Jahren meiner eigenen aktiven Coaching- und Beraterinnenlaufbahn kennenlernen durfte und ich bin ihr dankbar für viele Erkenntnisse und Inspiration. Besonders gut ist mir meine erste Begegnung mit ihr in Erinnerung geblieben:

Beim Start des Train-the-Trainer Kurses saßen wir erwartungsvoll zusammen, beäugten uns im Teilnehmer:innenkreis gegenseitig und dann trat Chris auf. Sie machte einen Schritt nach vorne, dazu eine öffnende Armbewegung und sprach über eine Stunde auf Englisch mit Simultan-Übersetzung. Dann war Pause und von uns hatte noch keine:r etwas gesagt oder sich vorgestellt. In der Pause schwirrten die Kommentare und Bewertungen durcheinander. Von überraschend positiv bis unmöglich war alles dabei. – Später verstand ich, dass es ihre Form des Kalibrierens war. Unterschiedliche Aspekte prüfte sie über die Reaktionen, bspw. wer lacht beim englischen Text, wer erst bei der Übersetzung. Ihr Kommentar zu dieser Situation und vielen anderen war: „Es ist alles eine Frage der Choreografie.“

Begegnung zwischen Coach und Coachee

Eine Frage der Choreografie, ja, und eine Frage des Kontakts zwischen Menschen. Der für mich wichtigste Grundsatz der Neurolinguistischen Psychologie lautet: Jeder Mensch verfügt über alle Ressourcen, die er braucht, um eine von ihm angestrebte Veränderung zu erreichen. Mit diesem Grundsatz begegne ich allen meinen Coaching-Klient:innen und so entsteht im Coaching eine Beziehung des Vertrauens und der Offenheit zwischen uns, die dem/der Coachee die Selbstfindung ermöglicht. Denn es ist in einer Beratung nicht möglich, den/die Coachee von außen zu „reparieren“! Vielmehr ist Coaching ein Beratungssystem, das auf asymmetrischer Kommunikation beruht und in dem wir uns mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des/der Coachee beschäftigen: Was wird als falsch, als veränderungswürdig betrachtet (Vergangenheit)? Was wird als selbstverständliche Gegebenheit wahrgenommen (Gegenwart)? Was wirkt erstrebenswert, erfolgversprechend oder strategisch notwendig für den/die Coachee (Zukunft)?

Es geht im Coaching also um Kommunikation, und deswegen ist das „L“ in NLP, nämlich die „Linguistik“, so wichtig. Die Linguistik, also die Bedeutung und die präzise, bewusste Anwendung der Sprache, ist grundlegend für die Kommunikation zwischen Coach und Coachee und für das Verständnis der Welt des/der Coachee, grundlegend auch für eine ehrliche Vertrauensbasis und für den Anstoß positiver Veränderungen und deren Verankerung.

Im Laufe meiner Coaching-Stunden mit Klient:innen und meiner verschiedenen Coaching-Ausbildungen und -Weiterbildungen habe ich eine eigene Coaching-Persönlichkeit entwickelt, die neben den NLP-Grundsätzen viele andere Einflüsse hat. Unterschiedlichste Perspektiven sind erforderlich, um immer besser coachen zu können. Bei der Konzeptionierung meines intensiven Coaching-Retreats – ein Angebot, mit dem ich 2024 starte -, habe ich mich erneut sehr intensiv und bewusst mit Coaching auseinandergesetzt und dabei besonderes Augenmerk auf Coaching als Entwicklungsinstrument für Führungskräfte gelegt. Die Grundsätze, die Chris Hall in ihrem Abschiedsbrief als Essenz ihrer Karriere zusammenfasst, sind meiner Meinung nach unabhängig von der „Coaching-Methode“ ganz generell grundlegend für jeden Coaching-Prozess. Deswegen möchte ich Ihnen diese Aspekte und meine Gedanken dazu im Folgenden vorstellen.

Grundsätze im Coaching für Führungskräfte

Chris Hall hat acht Grundsätze oder „Qualitäten“ formuliert, die einen guten Coach und einen guten Coaching-Prozess auszeichnen: Empathie, Perspektivenoffenheit, Adaptationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungskompetenz, Leadership, Gerechtigkeitsgefühl und Resilienz. Wie können Ihnen nun diese Qualitäten in Situationen helfen, die Sie aus Ihrer Führungspraxis kennen? Anhand verschiedener Coaching-Themen, mit denen Führungskräfte in meine Coachings kamen, möchte ich es Ihnen verdeutlichen. (Es sei gesagt, dass diese Beispiele natürlich stark vereinfacht und verkürzt dargestellt sind, um den jeweiligen Punkt klar herauszustellen).

„Ich habe mir einige Ideen überlegt, bin mir aber nicht sicher, ob das passt…“

Der Coache hatte für sich und seine weitere Zukunft mehrere Alternativen, zwischen denen er hin- und herschwankte. Selbstverständlich: Coaching ist keine fachliche Beratung, die brauchte er auch nicht, denn die Vor- und Nachteile der einzelnen Alternativen waren ihm klar. Im Coaching-Prozess konnten wir aber die die subjektiven Limitierungen bewusst machen, die er bei den verschiedenen Wegen wahrnahm. Im Folgeprozess entwickelte er kreative Ideen, um mit den Herausforderungen seiner bevorzugten Alternative umzugehen. Die Unterstützung, die ich ihm im Coaching geben konnte, ist die Qualität, die Chris Hall Problemlösungskompetenz nennt.

„Wissen Sie, ich kann das niemandem erzählen, denn das durfte mir einfach nicht passieren…“

Das war der erste Satz einer Coachee, die mit einer Scheiter-Erfahrung rang (hier finden Sie einen Blogbeitrag, der sich mit dem Thema Scheitern beschäftigt). Diese Erfahrung beeinflusste ihr berufliches Handeln massiv und lud wichtige Entscheidungen mit Angst und Sorgen auf. Die Qualität Resilienz kam in diesem Fall besonders zum Tragen: Indem wir die Scheitererfahrung mit all ihren Facetten aufarbeiteten, gelangte die Coachee in einen Zustand, in dem sie wieder an positive Veränderungen glauben und darauf hinarbeiten konnte. Das war kein schneller Wandel, denn der Umgang mit Scheitern braucht seine Zeit. Letztendlich half ihr aber die Erkenntnis, dass sie sich aufgrund von Erfahrungen, die sie als junge Führungskraft gemacht hatte, für ein Ergebnis verantwortlich gefühlt hatte, das völlig außerhalb ihres Einflussbereichs gelegen hatte. Das Coaching öffnete ihr durch die Offenheit für andere Perspektiven den Raum, durch einen Perspektivenwechsel zu dieser Erkenntnis zu gelangen.

„Ich weiß ja, dass ich viel zu schnell alles selbst regle, wenn meine Mitarbeiter:innen nicht in die Gänge kommen. Die werden aber auch immer langsamer und störrischer…“

Vielleicht kennen Sie solche Sätze auch: „Ich bin nun mal so uns so, auch wenn ich es mir damit selber schwer mache…“ In diesem Coachingfall kamen wir relativ schnell den inneren Antreibern des Coachees auf die Spur, die ihm ständig im Nacken saßen: „Sei schnell!“ und „Sei perfekt!“. Mit Selbstfürsorge oder „mal einen Gang zurückschalten“ war da nicht viel, und der Coachee brachte sich mit seinem Verhaltensmuster immer mehr in eine Erschöpfung. Von außen sind solche Strukturen oft relativ einfach zu erkennen, aber die Kunst des Coachens besteht darin, mit Empathie die Emotionen und Perspektiven aus der Innensicht des Coachees wirklich zu verstehen und durch Kommunikationsfähigkeit in einem positiven Dialog widerzuspiegeln. Erst dadurch wurde eine Gesprächsänderung weg von den Problemen der Mitarbeiter:innen hin zu Achtsamkeit und Selbstfürsorge für sich möglich, die ihn die eigenen Verhaltensmuster erkennen und verändern ließen.

„Eigentlich würde ich gerne mehr Zeit mit meiner Familie verbringen, aber…“

Der Coachee kam mit dem diffusen Gefühl ins Coaching, sich zwischen seiner Partnerin und dem Job aufzureiben und dabei keiner Seite gerecht zu werden. Um Lösungen für seine Situation zu entwickeln, war es grundlegend, dass er das Wunschbild konkretisierte, das seine Bedürfnisse am besten ausdrückte: Er fand zur Vision einer harmonischen Partnerschaft, in der das gemeinsame Hobby Bergwandern regelmäßig gepflegt wird und in der er mit seiner Partnerin in hohem Alter auf einen reichen Schatz aus Eindrücken und Erlebnissen aus Reisen zurückblicken kann. Die Qualität Leadership im Sinne von Chris Hall (mit diesem Begriff bin ich nicht ganz glücklich, besser gefiele mir Inspiration) zeigte sich in diesem Coaching-Prozess in der Form, dass sich der Coachee inspirieren und ermutigen ließ, seine Ziele für sein Wohlergehen aktiv zu verfolgen und eigene innere Ressourcen aufdecken konnte, die ihn dabei unterstützen. Ihm wurde im Coaching-Prozess auch deutlich, dass zu seinem Gerechtigkeitsgefühl auch gehören muss, auf sich selbst und die Partnerin zu achten. Zur fairen und fördernden Behandlung aller Parteien gehören eben neben dem Unternehmen und den Mitarbeiter:innen auch die Familie und er selbst.

„Ich habe ein echtes Problem damit, meiner bisherigen Kollegin als Chefin gegenüberzutreten…“

Die Coachee kam mit einem komplexen Geflecht aus Rollenansprüchen ins Coaching, die sich aus ihrer kürzlichen Beförderung ergeben hatten. Wir entwirrten grundlegend ihre verschiedenen Rollen: Wo war sie Kollegin, wo Vorgesetzte? Wo Freundin? Wo Partnerin außerhalb des Jobkontextes? Adaptationsfähigkeit, um in ihre unterschiedlichen Situationen und Gefühle mitgehen zu können, war dafür grundlegend. Auf diese Weise konnten wir die komplexen Verstrickungen und Ansprüche, denen sie in ihren unterschiedlichen Rollen ausgesetzt war, sortieren und ihnen Sinn geben.

Viele Probleme – eine Lösung?

Ich habe in meiner gesamten Laufbahn noch keine zwei Coachees getroffen, deren Anliegen gleich gewesen wäre. Was sie jedoch alle einte: der Wunsch nach persönlicher Entwicklung.

Jeder Mensch besitzt grundsätzlich die Fähigkeit, sein eigenes Leben sinnvoll zu gestalten. Die äußeren Umstände mögen da vorteilhaft oder hinderlich sein, entscheidend sind sie nie. Die Suche nach der sinnvollen Gestaltung des eigenen Lebens verläuft aber allzu oft chaotisch, sie kann frustrierend sein und Ängste auslösen. Und wie mutig und selbstbestimmt ist es da, sich im Coaching bewusst mit ihr zu befassen! Je bewusster und methodischer diese Suche nach der sinnvollen Lebensgestaltung passiert, desto sicherer entstehen gute Lösungen und Entscheidungen.

Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihre Situation besser sein könnte oder wenn Sie Ziele haben, die Sie verwirklichen wollen: Dann ist Coaching das richtige Werkzeug für Sie. Im Coaching bin ich Ihre Begleiterin auf der Suche nach der sinnvollen Gestaltung des eigenen (Arbeits-)Lebens, mit einem gemeinsamen Ziel: Dass Sie nach dem Coaching-Prozess (wieder) klarer sehen und spüren, wo es für Sie langgeht.

Dabei kann der Fokus auf Machen oder Lassen gerichtet sein – je nachdem was für Sie funktional ist.

Pilot-Aktion für das Coaching-Retreat mit Prof. Heller
Zum Weiterlesen:
  • Dweck, C. (2009). Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt München: Piper
  • Eidenschink, K.: Beratungssystem. Online verfügbar (abgerufen am 01.03.2024): https://metatheorie-der-veraenderung.info/wpmtags/beratungssystem/
  • Looss, W. (korrigierte Neuausgabe 2006). Unter vier Augen: Coaching für Manager. Köln: EHP
  • Sauerland, M. (2015). Design your mind – Denkfallen entlarven und überwinden. Mit zielführendem Denken die eigenen Potenziale voll ausschöpfen. Wiesbaden: Springer
  • Vogelauer, W. (2005). Coaching Praxis. Führungskräfte professionell begleiten, beraten, unterstützen. München: Walters Kluwer
  • Wehmeier, P. (2013). Erfolg ist, wenn es mir gut geht! Burnout vermeiden durch Selbstmanagement. Göttingen: Vandenhoueck & Ruprecht

Dies ist der Beitrag 3 von 10 rund um Übergänge, Perspektivwechsel und Coaching. Im nächsten Beitrag geht es um Mut, Loslassen und Zuversicht als Anstoß für Führungskräfte, die eine Übergangs-/Veränderungsphase gestalten wollen.