Ein Mann im T-Shirt liegt mit ausgestreckten Armen am Boden mit einem Hefter über dem Gesicht, auf dem ein Fragezeichen abgebildet ist.

Entscheiden: Der Weg aus dem Zweifeln

Der Artikel bietet Einblicke, wie Sie durch bewusste und mutige Entscheidungen Ihre Autonomie stärken und dadurch Resilienz in Ihrem beruflichen und privaten Leben fördern können. Lernen Sie, wie Sie durch Entscheidungsstärke Herausforderungen mit Zuversicht begegnen und wie dieser Prozess zu einem tieferen Verständnis von Selbstbestimmung und persönlichem Wachstum führt.

Entscheidungen

Entscheidungen sind allgegenwärtig. Schon morgens entscheiden wir uns zwischen Kaffee und Tee, weiter geht es mit der Entscheidung, ob wir zum Treffen morgen noch am Vorabend anreisen oder für die Anreise morgen früh aufstehen. Und der Arbeitsalltag einer Führungskraft besteht im Grunde aus wenig anderem als Entscheidungen.

Die meisten von uns treffen alltägliche Entscheidungen ohne großes Nachdenken oder haben durch die Erfahrung in ihrem Bereich eine gewisse Entscheidungs-Routine entwickelt. Aber immer wieder stehen wir auch vor den wirklich großen persönlichen Entscheidungen. Solchen wie: Bleiben oder gehen? Akzeptieren oder kämpfen? Chance ergreifen oder auf Sicherheit setzen? Die präsentieren sich oft nicht so klar wie diese Fragen, sondern treten als ein diffuses Gefühl des „Irgendetwas muss sich ändern“ und eines Zweifelns am Status quo auf.

Herausforderungen begegnen

Ein Abteilungsleiter erlebt das so:

„Gerade wieder diese Woche bin ich völlig unzufrieden aus einem Treffen gegangen. Mein Geschäftsführer hatte es einberufen, um ein Ergebnis für (Thema) zu erreichen und war von Anfang an auf Krawall gebürstet – von wegen „das bringt alles nichts“, „ich weiß gar nicht, wieso Sie das nicht einfach so und so machen“ etc. Am Ende des Treffens wurde uns Abteilungsleiter:innen sein eigenes Wunsch-Ergebnis einfach übergestülpt.

Wahrscheinlich fragt er uns nur deswegen nach unserer Meinung, weil im Unternehmenskodex eine neue Führungskultur festgeschrieben ist; am liebsten würde er nach wie vor keine Entscheidung aus der Hand geben. Ich habe die Chance, an einen anderen Standort zu wechseln, was mich wirklich reizt, um aus dieser unguten Beziehung herauszukommen – andererseits habe ich meine Abteilung mit viel Herzblut aufgebaut und würde gerne die Früchte meiner Arbeit ernten, denn jetzt performt sie richtig gut. Die Situation, so wie sie jetzt ist, raubt mir jedenfalls den Schlaf.“

Keine einfache Situation, vor der dieser Abteilungsleiter steht. Alle Möglichkeiten, die sich ihm bieten, haben ihre Vor- und Nachteile: Ein Standortwechsel in eine neue Aufgabe, sich mit dem Führungsstil des Geschäftsführers stillschweigend arrangieren, einen weiteren Versuch unternehmen, die Beziehung zu verbessern… und dann steht ihm ja auch immer die Möglichkeit offen, das Unternehmen ganz zu verlassen. Jede dieser Möglichkeiten kann er wählen – und für jede hat er einen Preis zu zahlen. Denn für jede Entscheidung, die er trifft, muss er Nachteile in Kauf nehmen und bereit sein, diese auf sich zu nehmen.

Bewusste und mutige Entscheidungen

Wäre das anders, stünden wir hier auch nicht vor einer Entscheidungssituation. Eine Entscheidung ist nur dann möglich und nötig, wenn mehrere gleichwertige Möglichkeiten vorliegen. Gibt es eine offensichtlich bessere Alternative, brauchen wir keine Entscheidung zu fällen – denn warum sollten wir aus freien Stücken eine schlechte Alternative wählen? Es gilt also, hier mutig eine Entscheidung zu treffen in dem Bewusstsein, dass Unsicherheiten, Risiken und, ja, Nachteile in jedem Fall dazugehören.

Gerade die Nachteile sind bei einer Entscheidungsfindung wertvoll. Wahrscheinlich erstellen auch Sie in unklaren Situationen irgendeine Art von Pro- und Contra-Liste der verschiedenen Optionen, um sich im diffusen Zweifeln eine Übersicht zu verschaffen. Eine gute analytische Herangehensweise, die aber eben auch aufzeigt, dass zu jeder Entscheidung Contras gehören. Und genau diesen Contras sollten wir Raum geben und uns fragen: Welche Nachteile, welchen Worst Case, sind wir bereit, im schlechtesten Fall mitzutragen? Was ist für mich noch tragbar, und wo liegt meine eigene Grenze? Was darf auf keinen Fall passieren? Bewusste Entscheidungen lassen sich weniger von den Anreizen der möglichen Vorteile leiten als von den Nachteilen, die wir als für uns erträglich bewerten.

Beim Abwägen möglicher Nachteile kann sich auch ein zusätzlicher Sinn für eine Entscheidung ergeben. Der Abteilungsleiter aus dem Beispiel oben weiß, dass seine Mitarbeiter:innen ihn schätzen und brauchen. Dieses Wissen gäbe der Entscheidung, in seiner aktuellen Stelle zu bleiben, einen Sinn. Vielleicht hat ein Wechsel in einen anderen Aufgabenbereich mit dem Ziel der eigenen beruflichen Weiterentwicklung und Entfaltung zwar für ihn ein Sinn erster Ordnung. Wenn es aber gute Gründe gibt, die gegen einen Wechsel sprechen, dann kann er in der exzellenten Führung seiner Mitarbeiter:innen einen Sinn zweiter Ordnung finden. Ist dieser Sinn zweiter Ordnung stark genug, kann die Entscheidung zu bleiben genau die in diesem Moment richtige sein. Oft verleitet uns unser eigener Wunsch nach dem Erreichen von Zielen erster Ordnung dazu, alle anderen Alternativen als faule Kompromisse oder Scheitern zu bewerten. Doch wir können unseren Fokus ändern: Oft sprechen sehr gute Gründe dafür, eine Entscheidung (zum jetzigen Zeitpunkt) gegen die Verwirklichung eines Ziels erster Ordnung zu treffen.

Welche Entscheidung auch immer wir letztlich treffen: Was den Unterschied macht, ist, sich bewusst für den einen oder anderen Weg zu entscheiden. Denn dann sind wir nicht mehr ein Opfer äußerer Umstände oder hilflos den Entscheidungen Anderer ausgeliefert, sondern erobern unsere Entscheidungsautonomie zurück. (Tipp dazu: Im Resilienz-ABC finden Sie den Coaching-Tipp „Treffen Sie eine Entscheidung“, der kurz skizziert, wie Sie sich einer Entscheidung annähern können).